Plan sectoriel Logement : Stellungnahme von déi Lénk

Grundsätzliche Bemerkungen

Für déi Lénk ist unumstritten, dass wir eine Landesplanung benötigen und die Politik sich die dafür nötigen Instrumente geben muss. Einige der größten Probleme, die sich für Luxemburg stellen, sei es die Wohnungsnot mit den explodierenden Preisen, die Zersiedlung, die Verkehrsproblematik oder die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung, können nur mit einer kohärenten und umfassenden Strategie angegangen und gelöst werden.

déi Lénk bedauern jedoch, dass vor der Ausarbeitung der sektoriellen Pläne keine grundlegende gesellschaftliche Debatte über die zukünftig gewollte Entwicklung des Landes geführt wurde. Den sektoriellen Plänen liegt ein Wirtschaftswachstum von 3,5% im Jahr zu Grunde, doch eine Diskussion, ob ein derartiges Wachstum überhaupt erstrebenswert ist, wurde nie geführt. Es stellen sich in diesem Zusammenhang nämlich einige Fragen:

  • Welche Art von Wirtschaftswachstum wird angestrebt? Diese Frage hätte beantwortet werden müssen, bevor riesige Flächen für Aktivitätszonen vorgesehen werden. Zudem bedeutet ein hohes Wirtschaftswachstum nicht unbedingt weniger Arbeitslosigkeit, wie gerade die jüngste Vergangenheit zeigte.
  • Ist eine derartige wirtschaftliche Expansion ökologisch zu verkraften?  Die rasante Versiegelung von Flächen, der enorme Verkehrszuwachs und die zunehmende Verschmutzung durch immer intensivere wirtschaftliche Aktivitäten stellen eine große Belastung für Mensch und Natur dar. déi Lénk hätten eine Diskussion darüber begrüßt, ob und inwiefern wir bereit sind unsere natürlichen Lebensgrundlagen und unsere Lebensqualität für blindes Wirtschaftswachstum aufs Spiel zu setzen.
  • Wohin fließt der durch dieses Wirtschaftswachstum geschaffene Reichtum? Bereichert er einige wenige Reiche oder wird er gerecht umverteilt? Somit stellt sich die Frage, ob ein derartiges einseitiges Wachstum, das sich rein am BIP orientiert, auch sozialpolitisch erstrebenwert ist oder nicht.

Da diesen Fragen in den sektoriellen Plänen nicht Rechnung getragen wird, fällt es schwer die Pläne als wirkliche politische Planungsinstrumente zu bezeichnen, die eine demokratisch legitimierte Vision des zukünftigen Zusammenlebens in Luxemburg umsetzen. Sie sollen dem Land wohl eher ermöglichen, ein vorgegebenes Wirtschaftswachstum irgendwie absorbieren und verwalten zu können. Dies ist insbesondere beim Plan Sectoriel Logement (PSL) zu erkennen, da er den Gemeinden von oben herab Entwicklungsszenarien vorschreibt, deren Umsetzung des Öfteren geradezu unsinnig erscheint oder die Lebensqualität der Einwohner massiv strapazieren würde. Auf ortsspezifische Faktoren und Naherholungsgebiete wird dabei oft keine Rücksicht genommen. Schließlich fehlt beim PSL die soziale Komponente, da er kein Konzept zur Bekämpfung der extrem hohen Kauf- und Mietpreise liefert.

Communes prioritaires – communes complémentaires

Um eine gezielte räumliche Entwicklung zu erreichen und der Zersiedlung von vielen, insbesondere ländlichen, Gebieten entgegenzuwirken, unterscheidet der PSL zwischen prioritären und komplementären Gemeinden. Prioritäre Gemeinden müssen in ihren allgemeinen Flächennutzungsplänen (PAG) Bauflächen ausweisen, die ein Wohnungswachstum von mindestens 20% ermöglichen, während komplementäre Gemeinden 12 Jahre nach Inkrafttreten der sektoriellen Pläne nur noch maximal um 10%, bis dahin jedoch weiter unkontrolliert wachsen dürfen. déi Lénk begrüßen grundsätzlich die Absicht, das Wachstum regionalspezifisch und schwerpunktmäßig steuern zu wollen, bezweifeln aber, dass dieses Vorhaben mit dem vorliegenden PSL umsetzbar ist.

Zum einen sind 43 von 106 Gemeinden als prioritär eingestuft, also gut 40%. Wenn fast die Hälfte aller Gemeinden schneller wachsen soll als der Rest, kann nicht mehr von regionalen Schwerpunkten gesprochen werden. Hinzu kommt, dass die komplementären Gemeinden noch über ein Jahrzehnt lang ungebremst wachsen können und dies wahrscheinlich auch tun werden. Denn Grundbesitzer und Promotoren werden innerhalb des aktuellen Bauperimeters liegende Flächen noch nutzen wollen, bevor sie womöglich in 12 Jahren umklassiert werden. Diese Ungereimtheit könnte dazu führen, dass einige komplementäre Gemeinden in den nächsten Jahren schneller wachsen als die prioritären. Desweiteren ist auch die Auswahl einiger prioritärer Gemeinden fraglich, so z.B. Leudelingen. Diese ländliche Gemeinde befindet sich weder in nächster Umgebung zur Hauptstadt, noch liegt sie im bereits dichtbesiedelten äußersten Süden und der Bahnhof liegt abgelegen einige Kilometer vom Hauptort entfernt. Zudem wird durch den Ausbau dieser Gemeinde der Grüngürtel zwischen Luxemburg und dem Süden zerschnitten. Mit massiven Verkehrsproblemen hat die Gemeinde bereits jetzt zu kämpfen, da hier ohne Verkehrskonzept in den letzten Jahren wirtschaftliche Aktivitätszonen auf der grünen Wiese angelegt wurden.

Projets d’envergure – Wohnungspreise – Gemeindeautonomie

467 Hektar Fläche werden im PSL für sogenannte projets d’envergure, also große zusammenhängende Wohnungsbauprojekte, ausgewiesen. Dass davon 92 Hektar nicht in prioritären Gemeinden liegen, während für eines der drei prioritären Entwicklungszentren, nämlich die Nordstad kein einziges derartiges Projekt vorgesehen ist, zeigt erneut, dass die Entwicklung nach regionalen Schwerpunkten nicht ernst gemeint zu sein scheint. Abgesehen davon stellen sich bei den projets d’envergure eine Reihe viel größerer Probleme. Zum einen soll es den Gemeinden laut PSL selbst überlassen bleiben, ob in diesen potentiellen Wohngebieten Sozialwohnungen gebaut werden oder nicht. Anders ausgedrückt: Es wird also in der Regel keine Sozialwohnungen geben. déi Lénk fordern deshalb, dass der PSL für alle Gemeinden ein obligatorisches Minimum von 10% Sozialwohnungen vorschreiben sollte. Diese Vorschrift darf nicht nur für die projets d’envergure gelten, sondern muss für alle neuen Wohngebiete und Teilbebauungspläne (PAP nouveaux quartiers) in prioritären und in komplementären Gemeinden gelten.[1]

Innerhalb der projets d’envergure sollen dann 30% der Wohnungen à coûts modérés verkauft werden, was einem Verkaufspreis von 80% des Marktwerts entspricht. Da die Preise auf dem Markt jedoch so hoch sind, werden auch diese Wohnungen für viele nicht erschwinglich sein. Zudem steigen die Marktpreise rasant an, weshalb in nur wenigen Jahren der Preis für eine „erschwingliche“ Wohnung höher liegen wird als der heutige Preis einer „normalen“. Um diese Preisspirale zu durchbrechen, schlagen déi Lénk vor, dass die Gewinne, die durch die Wertsteigerung der Flächen nach deren Eingliederung in den Bauperimeter für den Besitzer/Verkäufer entstehen und Preise und Mieten in die Höhe treiben, in einen Fonds für den Wohnungsbau fließen sollen. Derartige Baulandspekulation wird bereits heute durch ein Gesetz von 2013 gebremst, doch es betrifft nur den Staat und die Gemeinden. déi Lénk wollen, dass auch bei Baulandtransaktionen zwischen privaten Akteuren der entstandene Mehrwert der Allgemeinheit dienen soll und nicht in die Taschen von Baulandspekulanten fließen darf.[2]

Ein weiterer Kritikpunkt an den projets d’envergure ist ihre Überdimensionierung. Die größten dieser Projekte, wie etwa die Zone Toussaintsmillen in Kayl oder auf Scheierhaff in Zolwer, bieten Fläche für so viele Wohnungen, dass ihre Umsetzung die Entstehung einer neuen Kleinstadt außerhalb der Ortskerne bedeuten würde. Wie solche Projekte infrastrukturell für die betroffenen Gemeinden zu meistern sein sollen, bleibt dabei unklar. Zudem laufen die projets d’envergure auch einem übergeordneten Ziel des PSL zuwider, nämlich dem prioritären Ausbau der Ortskerne. Die Großprojekte führen zum genauen Gegenteil.
déi Lénk schlagen deshalb vor, dass es den Gemeinden im Rahmen der Vorgaben des PSL selbst überlassen bleiben sein muss, wie sie ihre Fläche nutzen und bebauen möchten. Bevor überdimensionierte Projekte vorgesehen werden, hätte ein Blick in die Flächennutzungspläne der Gemeinden gezeigt, dass viele ohnehin Bauflächen ausweisen, die ein Wachstum von 20% und mehr ermöglichen. Die Gemeinde Sanem z.B. schlägt auf ihrer Fläche 47 Hektar für den Wohnungsbau vor, was in etwa dem Potential des projet d’envergure auf Scheierhaff entspricht. Weshalb dieser Gemeinde, die bereits alleine durch die neuen Wohnviertel auf Belval rasant wachsen wird, dann noch ein großes Projekt aufzwingen?
In Luxemburg weist der Gemeinderat in seiner Stellungnahme auf ein ähnliches Problem hin. Derzeit werden in der Hauptstadt  auf einer Fläche von circa 200 Hektar um die fünfzig Teilbebauungspläne umgesetzt, die Platz für über 10.000 Wohnungen bieten werden. Außerdem befinden sich bereits jetzt große, gut gelegene und zusammenhängende Flächen im Flächennutzungsplans der Gemeinde, die in der Summe noch ein Mal über 100 Hektar für den Wohnungsbau hergeben würden (Porte de Hollerich, Midfield und Kennedy Sud). Weshalb also projets d’envergure an den Stadtgrenzen bauen, wenn es im Inneren der Stadt ein so großes Potential gibt?
Für Esch hingegen ist es sogar schlicht unmöglich, nach den Vorgaben des PSL um weitere 20% zu wachsen, da die Stadt seit Unterzeichnung des Pacte Logement (2007) Projekte für 2000 Wohnungen entwickelte, ihr zusätzliches Potenzial beträgt noch ungefähr 1200 Wohneinheiten (also unter 20%). Deshalb müssen die in jüngster Vergangenheit geleisteten Bemühungen unbedingt berücksichtigt werden.

Schließlich könnten die Gemeinden durch diese projets d’envergure erheblich unter den Druck von Promotoren geraten, sollten diese Projekte so im PSL Bestand haben. Denn sobald diese Großprojekte in die Flächennutzungspläne der Gemeinden übernommen sind, können Promotoren Teilbebauungspläne (PAP) für diese Flächen vorschlagen, welche die Gemeinden ihnen nur noch schwer verwehren könnten. Viele Gemeinden wären dadurch gezwungen, Projekte umzusetzen, die niemand haben wollte, und zusätzlich neue Infrastruktur bereit zu stellen, die sie finanziell nur sehr schwer schultern könnten.

Zones Tampons

Der PSZAE sieht vor, dass das Gebiet im Umkreis von 300m von nationalen und regionalen Aktivitätszonen als Pufferzone dienen soll: hier dürfen also keine neuen Bauflächen ausgewiesen werden. In diesem Zusammenhang herrscht momentan vielerorts Unsicherheit, da diese Bestimmung bereits durch die Veröffentlichung der sektoriellen Pläne rechtliche Geltung hat und somit viele bereits genehmigte Bauprojekte, die weniger als 300m von einer Aktivitätszone entfernt liegen, nicht gebaut werden dürften.
déi Lénk sind der Meinung, dass die Größe dieser Pufferzonen von der Art der wirtschaftlichen Aktivität in den jeweiligen Zonen abhängig gemacht werden muss. Verschiedene wirtschaftliche Aktivitäten (wie z.B. die Asphaltfabrik in der Zone „Um Monkeler“ in Esch, die eigentlich nie hätte genehmigt werden dürfen) stellen auch auf über 300m Entfernung noch eine erhebliche Lärm- und Verschmutzungsbelastung für die Bewohner dar, während dies bei kleinen Handwerksbetrieben und Geschäften nicht der Fall ist.

(Mitgeteilt von déi Lénk)

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[1] Ein entsprechender Antrag von déi Lénk wurde am 20. Oktober 2014 im Escher Gemeinderat und am 24. Oktober in Sanem einstimmig angenommen.

[2] Auch diese Forderung wurde von Laurent Biltgen und Guy Kersch von déi Lénk in den Escher Gemeinderat eingebracht und einstimmig angenommen.

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