Am Dienstag erklärte Handelskommissarin Cecilia Malmström, dass die EU-Kommission nun doch bereit ist, die Parlamente der Mitgliedstaaten über das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) abstimmen zu lassen. Diese Kehrtwende wird jedoch keine aufschiebende Wirkung haben, da das Abkommen längst in Kraft sein wird, ehe es den nationalen Parlamenten vorgelegt wird.
Malmström wird nach eigenen Aussagen gleich im Anschluss an das Votum des Europaparlaments ein vorläufiges Inkrafttreten des Abkommens beantragen. Diese provisorische Implementierung muss durch den Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit abgesegnet werden, was nach derzeitigem Stand jedoch reine Formsache ist. „Die nationalen Parlamente werden über ein Abkommen debattieren, das zu dem Zeitpunkt längst eine politische und ökonomische Realität darstellt. Eine unabhängige Entscheidung ist unter diesen Umständen kaum möglich, denn je länger CETA in Kraft ist, desto schwieriger wird es sein, diese Realitäten rückgängig zu machen“, so der Sprecher von déi Lénk Gary Diderich.
Der Ratifikationsprozess kann sich im Übrigen über mehrere Jahre hinziehen. Auch bei einer eventuellen Ablehnung in einem nationalen Parlament, wird das vorerst ohne Konsequenzen für das Abkommen bleiben. Wie bereits in der Vergangenheit, könnte im betreffenden Land zu einem späteren Zeitpunkt ein weiteres Votum abgehalten werden, bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist.
Provisorische Implementierung des gesamten Abkommens
Die provisorische Implementierung betrifft voraussichtlich das Abkommen in seiner ganzen Breite, inklusive der umstrittenen Schiedsgerichte. Eigentlich dürfen die Teile, die in „gemischter“ Kompetenz liegen, nicht vorläufig in Kraft gesetzt werden. Malmström unterstrich jedoch am Dienstag klar, dass die EU-Kommission aus rechtlicher Sicht bei ihrer Position bleibt, dass CETA ausschließlich in EU-Kompetenz liege, und dass man nur aus politischen Gründen einer Mitbestimmung der nationalen Parlamente zugestimmt habe.
Dadurch würde die provisorische Implementierung auch das gesamte Abkommen betreffen, es sei denn, ein neues juristisches Gutachten widerlegt die Meinung der EU-Kommission.
Der Ball liegt bei den nationalen Regierungen
Mehrere Regierungen, darunter auch Luxemburg, hatten sich in Brüssel dafür eingesetzt, dass die nationalen Parlamente über CETA abstimmen dürfen. Dabei handelt es sich jedoch weitgehend um ein Scheingefecht, das die öffentliche Meinung beruhigen sollte. Wäre es ihnen tatsächlich um eine demokratische Entscheidungsfindung gegangen, hätten sie ihre Parlamente abstimmen lassen, ehe sie dem Abkommen im Ministerrat grünes Licht geben. Darauf hätte Brüssel keinen Einfluss gehabt.
Durch die Entscheidung der EU-Kommission liegt der Ball jetzt wieder bei den nationalen Regierungen. „Wenn die Regierungen tatsächlich eine demokratische Abstimmung wünschen, dürfen sie die vorläufige Inkraftsetzung von CETA nicht zulassen“, so die Sprecherin von déi Lénk Carole Thoma. „Alles andere ist Augenwischerei!“