Rechtsstaatlichkeit statt Panikmache. Luxemburg braucht keinen „état d’urgence“.

Die neulich zutage getretenen Unstimmigkeiten zwischen der Regierung und dem Präsidenten der Verfassungskommission der Chamber in Sachen „état d’urgence“ zeigen, welche Risiken die Einführung einer verfassungsmäßig vorgesehenen Aufhebung der Gewaltentrennung im Falle von terroristischen Anschlägen birgt.

In einer Stellungnahme vom 26. Januar 2017 zur Abänderung des Art. 32 § 4 der Verfassung bezeichnete die Regierung die vom Staatsrat in seinem zusätzlichen Gutachten vom 6. Dezember 2016 verteidigte zeitliche Begrenzung des Ausnahmezustands auf maximal 6 Monate als möglicherweise zu „rigide“. Alex Bodry, Präsident der Verfassungskommission der Chamber, führte dagegen am 15. Februar 2017 an, dass gerade eine solche in der Verfassung verankerte zeitliche Begrenzung unabdingbar sei, um eine Situation wie in Frankreich, wo der „état d’urgence“ trotz Kritik von Verfassungs-, Straf- und BürgerrechtlerInnenn zum Dauerzustand geworden ist, zu vermeiden.

Der Aussage Bodrys, dass eine verfassungsrechtlich vorgeschriebene sechsmonatige zeitliche Begrenzung des Ausnahmezustands Missstände wie in Frankreich verhindern könnte, stehen déi Lénk skeptisch gegenüber. Die überstürzte Entscheidung, infolge der Pariser Anschläge die Abänderung des Art. 32 § 4 im Schnellverfahren durchzuboxen, hat gezeigt, dass auf die Besonnenheit der Regierung und der parlamentarischen Mehrheit im Falle von Terrorgefahr keinesfalls Verlass ist. Sollte jemals der Ausnahmezustand in Luxemburg infolge eines Terroranschlags ausgerufen werden, so ist davon auszugehen, dass eine politisch unter Druck stehende Regierung und die sie stützende parlamentarische Mehrheit bald Wege finden werden, um etwaige von der Verfassung vorgesehene zeitliche Begrenzungen zu umgehen. Denn welcher politische Entscheidungsträger wird sechs Monate nach einem Attentat das Risiko eingehen wollen, zu behaupten, dass jegliche Terrorgefahr gebannt ist?

déi Lénk sind nach wie vor der Meinung, dass Regierung und Parlament dem vom Staatsrat in seinem Gutachten vom 15. Juli 2016 gemachten Vorschlag, Terrorattentate ganz aus dem Anwendungsbereich von Art. 32 § 4 entfernen, hätten nachkommen sollen.

Ein Blick über die Luxemburger Grenzen hinaus zeigt, warum: Während die Ausrufung des „état d’urgence“ infolge der Attentate vom 13. November 2015 Frankeich in einen sicherheitspolitischen Teufelskreis gestürzt hat, von dem vor allem Marine Le Pen profitiert, hat das Festhalten Deutschlands an rechtsstaatlichen Grundprinzipien weder die Glaubwürdigkeit der Regierung, noch die Handlungsfähigkeit der Sicherheitskräfte untergraben.

Anstatt die Abänderung von Artikel 32 § 4 wie geplant vor der Sommerpause durchzuwinken, sollten die Mitglieder der Chamber sich deshalb die Frage stellen, welches sicherheitspolitische Modell in Luxemburg mehr Sinn macht: Autoritäre Panikmache oder besonnene Rechtsstaatlichkeit?

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