Europa nei opbauen

Europa in der Krise – Europa neu gründen

Europa durchlebt heutzutage seine tiefste Krise seit den 1930er Jahren. Gab es 2008 noch einige kritische Stimmen, so wurde die Frage nach den Ursachen der Krise bald weitgehend verdrängt. Denn diese Frage trifft mitten ins Herz des Systems und der Interessen, die es beherrschen. Nach den sozialen Kompromissen der drei Nachkriegsjahrzehnte ist das Kapital, und ganz besonders das Finanzkapital, zum Angriff übergegangen, um seine Macht, seine Gewinne und Vermögen nicht nur zu erhalten, sondern weiter zu vermehren. Die Folgen waren ein geschwächter Sozialstaat, immer größere Ungleichheiten und die Anhäufung enormer Geldmengen, die nicht mehr produktiv investiert wurden. Die Krise wurde durch äußerst spitzfindige Formen der Geldanlage immer stärker angefacht. Es ist daher kein Wunder, dass sie zuerst diejenigen Banken und Finanzinstitute erfasste, deren Erträge kaum noch aus der produktiven Wirtschaft kamen. Im Jahre 2006 betrugen die Aktiva des Finanzsektors 350% des weltweiten BIP – im Jahr 1990 waren es noch 100% gewesen. Die Weltwirtschaft trieb auf einem Ozean der Verschuldung. Im September 2008 wäre das Finanzsystem beinahe durch die Pleite von Lehmann Brothers zusammengestürzt. Angesichts des drohenden Zusammenbruchs setzten die Regierungen auf massive öffentliche Geldspritzen. So machten sie aus den privaten Schulden öffentliche Schulden. In der Eurozone belief sich die öffentliche Schuld 2007 auf 66% und Ende 2013 auf 92,7%. In Luxemburg stieg sie in diesem Zeitraum von 6,4% auf 27,7%.

Nach einigen zaghaften Programmen zur Ankurbelung der Wirtschaft, der kostspieligen Bankenrettung, dem Anfang der Rezession und dem Anwachsen der öffentlichen Defizite und Staatsschulden hatten die Regierungen nur eine einzige Antwort: eine Sparpolitik zu erzwingen, die angeblich die Haushalte wieder ins Gleichgewicht bringen sollte. Aber die Senkung der Sozialausgaben und das Einfrieren und gar Kürzen der Löhne und Renten verschlimmerten sowohl die wirtschaftliche Rezession als auch den Sozialabbau und die Arbeitslosigkeit. Mit den verminderten Steuereinnahmen ging die Schuld nicht zurück, sondern wuchs noch weiter an, wie es die oben zitierten Zahlen belegen. Übrigens musste die Europäische Kommission in ihrem öffentlichen Bericht von Januar 2013 zugeben: „Nach fünf Jahren Wirtschaftskrise und einem erneuten Konjunktureinbruch im Jahr 2012 erreicht die Arbeitslosigkeit Werte, die es seit rund 20 Jahren nicht mehr gegeben hat, die Einkommen der Haushalte sind geschrumpft und Armuts- und Ausgrenzungsrisiko steigen, besonders in den Mitgliedstaaten im Süden und Osten Europas.”

Die Sparpolitik dient als Rechtfertigung sogenannter struktureller Reformen, die in Wirklichkeit Konterreformen sind: Verschlechterung des Arbeitsrechts, Flexibilisierung, unsichere Einkommen, Rentenkürzungen und Verlängerung der Lebensarbeitszeit, Privatisierungen und Eindringen von Privatkapital in die öffentlichen Bereiche der Gesundheit, Bildung und Erziehung. Das Ziel ist es, die Arbeitskosten zu senken und den Sozialstaat zu zerschlagen. Wobei der Sozialstaat und die Errungenschaften der Arbeiterbewegung bereits vor der Krise in der Schusslinie standen und jetzt das Ziel von verstärkten Angriffen sind.

Hinter dem einschläfernden Gerede von „immer mehr Einheit” sind die Machthaber Europas in Wahrheit dabei, Zwietracht und Unfrieden zu säen. Die Länder des früheren Sowjetblocks sind als Untergebene in die Europäische Union integriert worden. Ihre Finanzsektoren werden nun von westlichen Banken kontrolliert und ihre Wirtschaften wurden in die Produktionsketten der westlichen Multis eingegliedert, denen diese Länder billige Arbeitskräfte liefern. Die Länder der „Randgebiete”, besonders im Süden des Kontinents, wurden von den finanziellen Unruhen von 2008 erfasst und konnten ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen. Weil die Europäische Zentralbank keine Staatsdefizite durch Anleihen finanzieren darf (Vertrag von Maastricht) und weil die EU ihren Mitgliedstaaten in Not nicht helfen darf (Vertrag von Lissabon), wurden sie den drakonischen Maßnahmen unterworfen, die die „Rettungspläne” der Troika (EUEZB- WWF) ihnen aufzwingen. Die aufgebrachten Gelder wurden als Hilfen für die in Schwierigkeiten steckenden Länder ausgegeben; sie dienten jedoch vor allem der Rettung der deutschen, französischen und britischen Banken, die über 50% der griechischen, portugiesischen, irischen, italienischen und spanischen Staatsschuld besaßen. Übrigens bestand die „Hilfe” vor allem in Krediten, die zurückbezahlt werden müssen; und sie wurde hauptsächlich benutzt, um die Zinsen der existierenden Schulden zu zahlen. Die Bedingungen, die an die Hilfen geknüpft waren, führten zu einer drastischen Verschlechterung der Lebensbedingungen und zu einer seit 1945 beispiellosen Zerschlagung des Sozialstaates.

Wenn es die nationalen Regierungen sind, die die Sparpolitik und die Konterreformen durchführen, so sind es die europäischen Institutionen, die sie empfehlen und erzwingen. Die Hoheit über den Staatshaushalt – und damit jegliche demokratische Kontrolle – wurde den nationalen Parlamenten de fakto entzogen, was bedeutet, die Wahl einer anderen Politik zu verbieten. Die Haushaltsempfehlungen der EU-Kommission bedrohen regelmäßig die sozialen Errungenschaften. Der Bericht von 2013 für Luxemburg empfiehlt weitere Angriffe auf die Renten und auf die Anpassung der Löhne an den Preisindex. Wenn die gewählten Regierungen nicht mehr als vertrauenswürdig angesehen werden, können sie durch „Technokraten” ersetzt werden wie 2011 in Griechenland und in Italien.

Und so bedeutet „Europa” jetzt für die Völker „sozialer Rückschritt” und „keine Demokratie”. Dies ist ein guter Nährboden für die Entwicklung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, und für die politischen Kräfte die diese Ideologie verbreiten. In einer Reihe von Ländern wird sogar die Frage nach einem Austritt aus der Euro-Zone gestellt.

Welches Europa für morgen?

Wir lehnen die Wahl ab zwischen der Zustimmung zum Rahmen der aktuellen EU und dem Rückzug auf die Nationalstaaten. Weder der neoliberale Europäismus, die Konsens-Ideologie zwischen Mitte-rechts und Mitte-links, noch die nationalistische Abkapselung nützen den Interessen der Völker, und vor allem nicht denen der lohnabhängigen Bevölkerung.

Es gilt eine andere Richtung einzuschlagen, um Europa wieder aufzubauen und zu vereinen, auf einem anderen Fundament als dem des Finanzkapitalismus. Ein soziales, demokratisches, ökologisches Europa, das die privaten Wirtschaftsinteressen den menschlichen Bedürfnissen und einer intakten planetaren Natur und Umwelt unterordnet, das die Herrschaft der Finanz bricht, ein Europa im Dienst der Bevölkerungen, der Lohnabhängigen, der Jugend, der Rentner, ein Europa, das seine Industrie und seine Dienstleistungen entwickelt und Umstrukturierungen sowie Produktionsverlagerungen im Namen des Profits verhindert.

Die Kredite müssen dem Finanzkapital entzogen werden und in den Dienst der produktiven Wirtschaft gestellt werden. Die Steuern auf Betriebsgewinnen, großen Vermögen und hohen Einkommen müssen nach oben harmonisiert werden, um der Steuerkonkurrenz ein Ende zu machen und die Umverteilungsfunktion der Steuern wiederherzustellen.

Um den Mangel an Demokratie zu überwinden muss die Architektur der Europäischen Union von Grund auf verändert werden.
Unsere Ansichten und Vorgehensweisen verdeutlichen wir in den Kritiken und Vorschlägen dieses Programms.
Unsere Vorschläge sollen den Weg bahnen für sozialen Fortschritt, für ein selbstbestimmtes Leben in Frieden, Würde und sozialer Sicherheit, für die sozial-ökologische Umgestaltung im Sinne eines „guten Lebens” und daher für die gerechte Aufteilung des geschaffenen Reichtums und eine solidarische Wirtschaftsordnung.

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