Auf der Tagesordnung steht Anfang dieses Jahres die Übernahme der RWE- und E.ON- Aktienpakete an ENOVOS International durch den Luxemburger Staat , die Stadt Luxemburg, die staatliche Investionsgesellschaft SNCI und die Banque et Caisse d’Epargne de l’Etat (BCEE). Der Vertrag wurde am 23. Dezember 2015 unterschrieben; die Zustimmung des Gemeinderates des Stadt Luxemburg steht noch aus. Damit erhöht sich die Beteiligung des Staates von 25,44% auf 28%, die der Stadt Luxemburg von 8% auf 15,61 % und die der SNCI von 10,01% auf 14,2 %. Die Sparkasse beteiligt sich neu mit 12 %. Der private Investmentfonds ARDIAN übernimmt zwei weitere Prozent und wird nun 25,48% halten, während der Anteil von GDF Suez- Electrabel unverändert bei 4,71 % bleibt.
Die Steigerung des öffentlichen Anteils von 43,45% auf 69,81% kann auf den ersten Blick mit Zufriedenheit zur Kenntnis genommen werden.
Allerdings ist es an der Zeit, aus der Sicht der Stadt Luxemburg, die ihre Energieversorgung und ihre Energienetze in die privatrechtliche Aktiengesellschaft ENOVOS eingebracht hat, rückblickend die verschiedenen Etappen dieser Privatisierung zu beleuchten und zu hinterfragen, was diese Strategie bisher gekostet, repektiv gebracht hat. Dies umso mehr, da die in Aussicht stehende Beteiligungserhöhung richtig teuer wird!
Etappenweise Privatisierung: zuerst Gründung der LEO S.A. …
Im Rahmen der EU- Liberalisierung des Strommarktes wurde am 26. Julii 2002 im Gemeinderat der Stadt Luxemburg der Beschluss gefasst, die gemeindeeigene Verwaltung von Strom und Gas in die Aktiengesellschaft LEO S.A. zu überführen , mit dem Auftrag, “die Strom- und Gaspreise zu verhandeln und festzulegen, Produktion, Ankauf, Transport und Vermarktung der Energien, sowie die Valorisierung der Verteilernetze zu gewährleiseten.” Dagegen betonte der damalige Bürgermeister Helminger zu diesem Moment, er sehe keinen Anlass, die gemeindeeigenen Netze in diese Aktiengesellschaft einzubringen. Es sei “im Interesse des Stadt Luxemburg, das Verteilernetz selbst zu verwalten und auf dem liberalisierten Markt präsent zu sein”. Und weiter stellte er fest: “Die Einnahmen der Stadt Luxemburg über den Verkauf von Strom machen ein Drittel der Gesamteinnahmen aus.”
LSAP und déi Lénk warfen dem DP-CSV-Schöffenrat damals vor, keine Alternativen untersucht zu haben, wie z. B. die Gründung einer Kooperative, die Schaffung eines öffentlichen Unternehmens, im Verbund mit anderen Gemeinden, oder die Gründung eines Groupement d’intérêt économique, zusammen mit der damaligen CEGEDEL. Die Gemeinderäte R. Goebbels (LSAP) und J. Frisch (déi Lénk) sprachen vom Beginn einer weiteren Privatisierung: mit der Gründung einer Aktiengesellschaft seien nun die Voraussetzungen für eine Überführung der öffentlichen Energienetze in den Privatsektor geschaffen, in anderen Worten deren Übernahme durch privates Kapital. Die Grünen, welche im Europaparlament die Liberalisierung mitgetragen hatten, um – wie F. Bausch im Gemeinderat betonte, Monopolstellungen zu brechen und ökologischen Energieprodukten eine Chance zu geben -, gaben sich zurückhaltender, forderten aber gleichfalls, die Alternative eines öffentlichen Unternehmens zu untersuchen. Demgegenüber meinte der CSV-Schöffe P-H. Meyers, ein öffentliches Unternehmen gewährleiste nicht die nötige Flexibilität und die verfolgten Ziele der neuen Aktiengesellschaft gingen weit über die eines öffentlichen Unternehmens hinaus. Inwiefern, sagte er nicht.
Am 23. April 2007, nachdem auf Regierungsebene CSV und LSAP angeregt hatten, die bestehenden Strom- und Gasnetze in einer nationalen Netzgesellschaft zusammenzuschließen, beteuerte die neue Gemeinderat-Majorität von DP und Grünen abermals, sie wolle “die städtischen Netze im Rahmen des Möglichen in kommunaler Hand halten” und es sei ihr Anliegen, dass die “ im Jahre 2003 geschaffene Gesellschaft LEO S.A. sich auch in Zukunft voll und ganz der kommerziellen Kundenbetreuung widmen kann.” In diesem Sinne beruhigte sie auch die Gewerkschaften.
Dass manche diesen Beteuerungen nicht trauten, zeigte sich, als Mitte 2010 in öffentlicher Sitzung des Gemeinderates der Schöffenrat Stellung beziehen musste zu einer Petition betreffend die Durchführung eines Referendum über die Frage der Eingliederung der Strom- und Gasnetze in die nationale Netzgesellschaft ENOVOS. Diese Petition scheiterte in der Folge jedoch an der notwendigen Zahl der Unterschriften. Am 3. Mai 2010 fand dann auf Anregung der LSAP eine informelle Sitzung des Gemeinderates statt. Dort wurde eine Motion des Schöffenrates verabschiedet, die 4 Bedingungen aufzählte, welche bei den Verhandlungen mit ENOVOS und dem Energieministerium zum Tragen kommen sollten:
“- renforcer l’actionnariat public et le pouvoir de gestion de la main publique … ,
– garantir les droits et acquis du personnel … ,
– assurer les investissements nécessaires dans le réseau d’énergie de la Ville … ,
– réunir toutes les conditions pour le maintien de la qualité du service aux clients … .”
Desweiteren sollte der Schöffenrat verschiedene Varianten in Betracht ziehen: “… faire décider par le conseil communal de la voie à suivre sur base de différentes alternatives possibles … .”
… dann Integration der LEO S.A. und der Energienetze in ENOVOS und CREOS
Am 12 Juli war es schließlich soweit: Auf dem Tisch des Gemeinderates lag der Vorschlag des DP-Déi Gréng-Schöffenrates, die LEO S.A und deren Handelsgeschäft in die Gesellschaft ENOVOS International S.A. sowie die städtischen Elektrizitäts- und Gasnetze in die Gesellschaft CREOS S.A. (eine ENOVOS-Filiale) einzubringen.
Es hieß von Seiten der Majorität, 3 Varianten seien geprüft worden:
“Variante 1: die Verwaltung der Strom- und Gasnetze bleibt weiterhin in kommunaler Hand.
Variante 2: Die Stadt Luxemburg gründet eine lokale privatrechtliche Gesellschaft und ist alleiniger Aktionär der Gesellschaft.
Variante 3: LEO S.A., das städtische Gaswerk und das Elektrizitätswerk und die Netze werden in die nationale Energiegesellschaft integriert.”
ln Bezug auf die drei Varianten vertrat der Schöffenrat folgende Meinung:
- Für die erste Alternative sei die Stadt nicht gerüstet, um den den neuen legalen Bestimmungen im Zusammenhang mit der Netzbetreibung in allen Punkten zu entsprechen (z.B. kommerzielle Buchführung).
- Für die zweite Alternative fehle es an der notwendigen kritischen Masse (Netze), um die zusätzlichlichen Kosten auf der Ebene der Netzbetreibung tragen zu können und der Alleingang der Stadt würde finanziell ein zu großes Risiko darstellen.
- Nur die dritte Variante, nämlich der Einstieg bei ENOVOS und CREOS sei sinnvoll. Damit würden auch die Bedingungen der Motion vom 3. Mai 2010 erfüllt, wie das Mitspracherecht bei strategisch wichtigen Entscheidungen und den notwendigen Investitionen (die Rede ging von 200 Millionen Euro für die nächsten 10-15 Jahre), die statutarische Absicherung des bestehenden Personals und die Dienstleistungsqualität für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt.
Die LSAP warf dem Schöffenrat dagegen vor, ”eingleisig, sprich auf der Schiene ENOVOS/CREOS verfahren zu sein und das ‘Tafelsilber’ (Stromnetz, Gasnetz) zu verscherbeln”:
“- Die Stadt Luxemburg verfügt über die notwendigen Kapazitäten, um die Energienetze in kommunaler Hand zu halten.
– Die Stadt Luxemburg hat in den vergangenen Jahren [insbesondere im Bereich der Informatik] nicht die notwendigen Anstrengungen unternommen, um die städtischen Gas- und Stromwerke auf die neuen Herausforderungen und Verpflichtungen eines Netzbetreibers vorzubereiten … .
– Die Möglichkeit, eine kommerzielle Buchführung einzurichten, die das Gemeindegesetz vorsieht, wurde nicht beachtet.”
– Es wurde im Gemeinderat keine grundsätzliche Diskussion geführt und auch die Einwohner der Stadt Luxemburg wurden nicht in die Diskussion eingebunden.
– Die Entscheidung des Schöffenrates ist weder im Interesse der Stadt und ihrer Bürger, noch im Interesse der städtischen Angestellten.
– Der Einfluss der Stadt im Verwaltungsrat der kommerziellen Gesellschaft wird sehr beschränkt sein.
Die eigentliche Integration wurde am 6. Dezember 2010 im Gemeinderat der Stadt Luxemburg vollzogen. Sie wurde wie folgt vom Schöffenrat dargestellt:
“ Die Stadt Luxemburg übernimmt einen Anteil von 8% an der Holding ENOVOS International S.A. und von 20% an der Netzgesellschaft CREOS Luxembourg S.A. (…). LEO S.A. wird der Stadt Luxemburg 18 Millionen Euro zurückerstatten. Dabei handelt es sich um den Restbetrag eines Darlehens, das der Gesellschaft LEO am 12. Januar 2009 im Rahmen der Übertragung des Handelsgeschäftes als Betriebskapital gegeben wurde. Des Weiteren ist eine Kapitalerhöhung in Höhe von 46,8 Millionen Euro vorgesehen. Insgesamt verfügt LEO S.A. dann über ein Kapital von 107,8 Millionen (capital social) Euro. (… ). Da die Aktienteilhabe an ENOVOS International unter den gegebenen Umständen nur bei 7,16% liegen würde, … wird die Stadt dem Staat und der SNCI Aktien in Höhe von 16,2 Millionen Euro (dies entspricht den fehlenden 0,84%) abkaufen. Der ENOVOS -Verwaltungsrat zählt 16
Mitglieder. 7 Mitglieder sind Vertreter der öffentlichen Hand. 6 Mitglieder vertreten die privaten Partner (Arcelor Mittal, RWE, E.ON, Electrabel). Die Arbeitnehmer erhalten 3 Sitze. (…). Die Stadt Luxemburg strebt einen Aktienanteil von 20% bei CREOS Luxembourg S.A. an. Dies entspricht einem Kapitalbeitrag von 196,1 Millionen Euro. Um dieses Objektiv zu erreichen, muss die Stadt, zuzüglich zur Einbringung der städtischen Energienetze, deren Wert (…) auf 186 Millionen Euro geschätzt worden ist, die Summe von 10,1 Millionen Euro an die Gesellschaft CREOS zahlen. Die Stadt Luxemburg wird drei Vertreter in den Verwaltungsrat von Creos Luxembourg S.A. nennen können.”
Bürgermeister Helminger stellte außerdem in Aussicht, CREOS werde 20% ihres Nettogewinns und ENOVOS 8% ihres Umsatzes (!) an die Stadt Luxemburg ausschütten und CREOS habe “sich verpflichtet , in den ersten Jahren rund 110 Millionen Euro in die Netze auf dem Gebiet der Stadt Luxemburg zu investieren”. Rat Goldschmidt (DP) meinte, durch die Einbringung ihrer Netze in die Gesellschaft CREOS werde die Stadt Luxemburg “jährlich rund 60 Millionen Euro im außerordentlichen Budget einsparen”. Die Grünen vertraten die Auffassung, mit der Einbringung von LEO in die Gesellschaft ENOVOS könnten bessere Einkaufsbedingungen für Strom und Gas erzielt werden, gleichzeitig müsse jedoch die Monopolstellung von ENOVOS im Auge behalten werden. Dies sei die Aufgabe der Vertreter der öffentlichen Hand im Verwaltungsrat von ENOVOS. Sie fragten auch, ob deren Politik im Verwaltungsrat der beiden Gesellschaften in Zukunft im Gemeinderat diskutiert werde, erhielten darauf aber keine Antwort. Schließlich bestritten sie, dass die kommunalen Netze verkauft würden: diese würden lediglich in das Kapital von CREOS Luxemburg integriert und durch die Teilhabe am Gesellschaftskapital von ENOVOS werde die Stadt Mitinhaber der Energieproduktionsanlagen. Zudem have ENOVOS in den vergangenen Jahren auch in erneuerbare Energien investiert.
Die Überführung von LEO S.A. und der kommunalen Netze der Stadt in die Gesellschaften ENOVOS international und CREOS Luxemburg wurde von DP, Déi Gréng und CSV angenommen. LSAP und ADR stimmten dagegen. déi Lénk waren zwischen 2005 und 2011 nicht im Gemeinderat vertreten.
Was hat die Privatisierung ihrer Netze der Stadt bisher gebracht, respektiv gekostet?
Die fortschreitende Liberalisierung und Privatisierung der Strom-und Gasversorgung der Stadt hat Spuren in den Budgets 2002 -2016 der Stadt Luxemburg hinterlassen. Sie finden sich in folgender Tabelle wieder:
Der Haushaltsposten “Achat d’actions ENOVOS/CREOS” des Jahres 2010 erklärt sich wie folgt:
- 10,1 Millionen Euro stehen für die Differenz zwischen dem Wert der gemeindeeigenen Netze (=186 Millionen Euro) und der 20-prozentigen Beteiligung an CREOS Luxemburg;
- 16,2 Millionen Euro stehen für die Differenz zwischen dem Wert von LEO S.A. und der 8-prozentigen Anteilhabe am Kapital von ENOVOS International.
Aus dieser Differenz (8%-7,16%=0,84%=16,2 Millionen Euro) kann mat den damaligen Wert des 8-prozentigen ENOVOS-Aktienpakets errechnen, nämlich 154,3 Millionen Euro.
Die Einkommens- und Ausgabenausfälle aus dem kommunalen Strom- und Gasgeschäft sind in der Tabelle nicht berücksichtigt. Diese wurden mit der LEO S.A. aus dem städtischen Budget ausgelagert. Daraus ergeben sich einerseits hohe Einnahmenausfälle für die Gemeinde: Wie bereits erwähnt, machten Bürgermeister Helminger zufolge die Einnahmen aus dem Verkauf von Strom normalerweise 30% der Gemeindeeinnahmen aus. Natürlich muss man aber auch die Ausgaben berücksichtigen, davon besonders die Personalausgaben und die notwendigen Investitionen. Diese beiden Ausgabenposten wurden ab 2011 von CREOS übernommen.
Davon abgesehen, dass der Gemeinde ein Einnahmencashflow entgeht, zählt schließlich das Resultat. In der Gemeinderatssitzung vom 26. Juli 2002 ging die Rede von 16,2 Millionen Euro Gewinn für das Elektrizitätswerk und 8 Millionen Euro Gewinn für das Gaswerk im Jahre 2001. Im Vergleich dazu fallen die ENOVOS/CREOS Dividenden, welche ab 2013 im städtischen Haushalt zu finden sind, recht mager aus: 27,7 Millionen Euro innerhalb von 3 Jahren, gegenüber den soeben erwähnten 24,2 Millionen Gewinn allein im Jahre 2002! Die Ankündigung von Bürgermeister Helminger, CREOS werde 20% ihres Nettogewinns und ENOVOS 8% ihres Umsatzes an die Stadt Luxemburg ausschütten erwies sich schon im Jahre 2013 als Flop. CREOS Luxembourg allein hätte 2013 bei einem Gewinn von über 64 Millionen Euro, 12,8 Millionen Dividenden an die Stadt Luxembourg zahlen müssen. Dagegen wurden in besagtem Jahr nur 9,9 Millionen Euro von CREOS und ENOVOS zusammen im Haushalt der Stadt verbucht.
Es scheint also klar, dass Jahr für Jahr der Gemeindekasse viel Geld entzogen und nicht durch entsprechende Dividenden aufgewogen wird. Schon allein die Präsenz des privaten Investitionsfonds Ardian mit 23,48% im Kapital von ENOVOS International bringt logischerweise eine Privatisierung öffentlicher Gewinne mit sich.
“Black box”
Es ist auch schwer zu prüfen, wieviel CREOS seit 2011 in die Energienetze der Stadt Luxemburg investiert hat, da keine Informationen darüber publiziert wurden. Selbst der Gemeinderat der Stadt hat darüber keinen Aufschluss erhalten. Zur Erinnerung: anlässlich der Gemeinderatssitzung vom 12. Juli 2010 waren 200 Millionen Investitionen im Zeitraum 2010-2025 veranschlagt worden und Bürgermeister Helminger hatte am 6. Dezember 2012 von der Verpflichtung von CREOS gesprochen , in den ersten Jahren rund 110 Millionen Euro in die Netze auf dem Gebiet der Stadt Luxemburg zu investieren. All dies ist nicht nachzuvollziehen.
5 Jahre nach der Privatisierung der Energienetze der Stadt finden sich die Gemeinderäte und die Bürgerinnen und Bürger einer “Black box” gegenüber. Sogar in Sachen Energieverbrauch auf dem Gebiet der Stadt verweigert ENOVOS/CREOS aus Datenschutzgründen den Informationszugang, und obschon die Gemeinde Luxemburg in den Verwaltungsräten von ENOVOS und CREOS vertreten ist, erhält die Stadtverwaltung nicht einmal Zahlen über den Energieverbrauch in den gemeindeeigenen Gebäuden!
Bei so viel Informationsdefizit erscheint die zitierte Frage der Grünen vom 6. Dezember 2010, ob im Gemeinderat diskutiert werden soll, welche Politik die Repräsentanten der Stadt im Verwaltungsrat der beiden Gesellschaften zu vertreten haben, geradezu absurd! Denn diese haben da wohl überhaupt keinen Einfluss!
Neuer Aderlass für die Finanzen der Gemeinde …
Die geplante 7,61-prozentige Erhöhung der Beteiligung der Stadt Luxemburg am Kapital von ENOVOS International wird wohl die 26 Millionen Euro, die Ende 2010, zusätzlich zur Einbringung von LEO S.A und der gemeindeeigenen Netze in bar bezahlt wurden, um ein Vielfaches übersteigen. Geht man von den 16,2 Millionen Euro aus, die Ende 2010 als Gegenleistung für die 0,84 % Anteil gezahlt wurden, so kommt man auf einen Betrag von 146,8 Millionen Euro. Ein ähnliches Resultat erreicht man auf der Basis des gemeinsamen Angebotes von ARDIAN, dem Luxembourger Staat, der Stadt Luxemburg und der SNCI vom Februar 2015. Für den RWE-und E.OS Aktienanteil von 28,36% wurden 567,2 Millionen Euro geboten, was für die 7,61-prozentige weitere Beteiligung der Stadt 148,2 Millionen ausmacht. Eine solche Summe übertrifft sowohl die Investition der Stadt in die Tramlinie zwischen den Ausstellungshallen und dem Hauptbahnhof (115,3 Millionen Euro), als auch die Beteiligung der Stadt am neuen Centre National d’Intervention et de Secours (67,1 Millionen Euro). Über den tatsächlichen Verkaufspreis des ENOVOS –Aktienpakets von RWE und E.OS wurde Stillschweigen vereinbart und die Abstimmung im Gemeinderat der Stadt wird hinter verschlossenen Türen erfolgen. Begründet wurde dies damit, man wolle nicht auf den RWE- und E.OS-Aktienkurs einwirken. Dies zeigt aufs Neue, welch negativen Einfluss die sogenannten Finanzmärkte auf zwei fundamentale Prinzipien der Demokratie ausüben, die da heißen: Transparenz, sowie Einsicht der Bürger in die Verwaltung der Steuergelder und in die gemeindeeigenen Einrichtungen. Beide Prinzipien werden hier missachtet.
… oder Rekommunalisierung der Energieverwaltung und der Netze?
Der Anstoß zur Liberalisierung des Energiemarktes war auf europäischer Ebene unter dem Motto erfolgt, der Konkurrenz Auftrieb zu geben und die Energiepreise zu senken. Rückblickend ist das Fazit aufschlussreich: öffentliche Monopole sind durch private ersetzt worden; die öffentliche Hand hat gegenüber dem Privatkapital massiv an Einfluss verloren, die öffentlichen Arbeitsplätze wurden weitgehend privatisiert und die Energiepreise sind weiter gestiegen. All dies trifft auch auf Luxemburg zu.
Besonders für die Stadt Luxemburg kommt man nicht umhin, festzustellen, dass die Gemeinde im Namen dieser Liberalisierungspolitik um den Besitz ihrer Energienetze und um ihre eigenständige Energiepolitik gebracht wurde und jetzt ein zusätzlicher massiver Aderlass auf sie zukommt. Was erhält die Stadt als Gegenleistung? Etwa mehr Einfluss bei ENOVOS, niedrigere Energiepreise, mehr Einnahmen und weniger Ausgaben in der Zukunft? Die unerfüllten Versprechen und das Demokratie- und Informationsdefizits im Rahmen der Privatisierung von 2010 lassen nicht darauf schließen!
Jetzt, wo RWE und E.ON aufgrund eigener Finanzierungsschwierigkeiten ENOVOS verlassen, hat das Argument, man müsse regional vorgehen und man brauche starke industrielle Partner über die Landesgrenzen hinaus, um Strom und Gas zu günstigen Preisen einkaufen zu können, stark an Glaubwürdigkeit eingebüßt.
Gleichzeitig erscheint damit auch die erfolgte Privatisierung fragwürdig. Gemeinsame Investitionen auf regionaler Basis könnten auch im Modell einer öffentlichen Gesellschaft oder einer Kooperation der Gemeinden mit oder in einer nationalen Energiegesellschaft getätigt werden.
Dies umso mehr, da seit 2012 die Möglichkeit einer kommerziellen Buchführung für die Gemeinden besteht.
Somit ist die Alternative einer Rekommunalisierung der Netze, wie sie derzeit in vielen Städten im Ausland erfolgt, statt einer Investition “à fonds perdu” von rund 150 Millionen Euro nicht abwegig. Auch sie sollte auf der Tagesordnung des Gemeinderates stehen!
Guy Foetz