Für eine Politik der Solidarität und die Aufwertung der öffentlichen Handlungsfähigkeit

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Seit dem Vertrag von Maastricht mit seinen willkürlichen und einseitigen Konvergenzkriterien für die Wirtschafts- und Währungsunion hat die europäische Politik sich auf rigorose Haushaltsdisziplin konzentriert, die anderen Dimensionen gesellschaftlicher Entwicklung indessen vernachlässigt oder ganz ignoriert: den Sozialstaat, die Verteilung des Reichtums, den ökologischen Umbau… Nun sind aber die budgetären Schwierigkeiten der EU-Staaten weder auf eine Explosion der öffentlichen Ausgaben noch auf ein Übermaß an Sozialstaat zurückzuführen, sondern auf die Auswirkungen der Steuerkonkurrenz seit zwanzig Jahren, die Kosten der Bankenrettung und die Rezession seit 2008. Die angebliche „Schuldenkrise“, mit der die Austeritätspolitik gerechtfertigt wird, ist in Wahrheit eine Krise des kapitalistischen Entwicklungsmodells. Statt die Fehlentwicklungen dieses Modells zu korrigieren, also die Ursachen der Krise zu beseitigen, setzt die Europäische Union auf eine noch schärfere Austeritätspolitik, die zu sozialen Rückschritten, einer wirtschaftlichen Rezession und einer Aushöhlung der Demokratie führt. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), auf den ersten Blick ein Schritt in Richtung europäischer Solidarität, ist in Wirklichkeit, wegen der strengen Bedingungen, ein Instrument für soziale Regression; durch seine Funktionsweise (Despotismus der Troika und der Finanzminister) ein Instrument für demokratische Regression. Die aufeinander folgenden Stabilitätspakte bis zum sogenannten Fiskalpakt (Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion, SKS-Vertrag) verschärfen diese Austerität und verankern sie als verfassungsmäßiges Prinzip, das wegen seines Automatismus der demokratischen Entscheidung entzogen wird. Dieser Austeritäts-Despotismus vertieft die Legitimitätskrise der europäischen Institutionen und fördert die Ausbreitung rechtsextremer Bewegungen. Statt die Bürger vor der verheerenden Macht der Finanzmärkte zu schützen, will man diese besänftigen mit antisozialen Maßnahmen und autoritären Prozeduren.

déi Lénk wollen:

• Die Verarmung der öffentlichen Haushalte und die private Bereicherung stoppen.
• Die öffentliche Handlungsfähigkeit aufwerten, durch reale demokratische Kontrolle und durch eine stark umverteilende Steuerpolitik mit mehr Mitteln ausgestattet.
Eine solche Wende ist wenig wahrscheinlich ohne ein demokratisches und soziales Aktiv-Werden der europäischen Bürgerinnen und Bürger.

1. Der Vertrag von Lissabon muss grundlegend umgeändert, die Stabilitätspakte (ESM, Fiskalpakt) aufgehoben und ersetzt werden durch Verträge für wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung. Ein Richtungswechsel im Rahmen der bestehenden Verträge ist kaum vorstellbar. Einige vage Formulierungen zu Wachstum oder Beschäftigung sind nicht ausreichend. Die notwendigen Veränderungen suchen den Bruch mit der in den Verträgen festgeschriebenen Logik und mit der Praxis ihrer Anwendung.

2. Die Bedingungen für die Hilfe an notleidende Staaten und die makroökonomischen Anpassungsprogramme nach Artikel 12 des ESM strikt einrahmen mit sozialen und ökologischen Einschränkungen (Nicht- Regressions-Klausel) und mit der Verpflichtung zur Umverteilung durch Steuern.

3. Die despotische Macht der Troika und des Gouverneursrats des ESM (der Finanzminister der Eurozone) durch demokratische Prozeduren ersetzen, vor allem was die Bedingungen der finanziellen Hilfe betrifft; das europäische und die nationalen Parlamente sollten über entsprechende Maßnahmen bestimmen und über ein Vetorecht verfügen.

4. Brechen mit der Macht der Finanzmärkte über Kreditvergabe (und –rückzahlung), also über den eigentlichen Kern der Politik souveräner Staaten; die Europäische Zentralbank oder ein neues öffentliches europäisches Institut sollte befähigt werden, den Mitgliedstaaten Kredite zu gewähren zu vernünftigen Zinsen und unter anderen als den gegenwärtigen Bedingungen: Verbot der sozialen Regression, neue budgetäre Gewichtung durch ein gerechtes, d.h. stark umverteilendes Steuersystem.

5. Parallel dazu in den Mitgliedstaaten ein System öffentlicher Banken aufbauen, das mit den gesicherten Ersparnissen der Bürger zum Beispiel öffentliche Projekte finanzieren kann: Infrastrukturen, den ökologischen Umbau der Industrie und die Entwicklung der Klein- und Mittelbetriebe.

6. Die „goldene Regel“ (0,5% Defizit laut Fiskalpakt) aufheben und ersetzen durch einen Mechanismus der wirtschaftlichen, sozialen, steuerlichen und haushaltspolitischen Zusammenarbeit und Koordination, der sowohl der spezifischen Entwicklung eines jeden Staates wie auch der sozialen Gerechtigkeit und des notwendigen ökologischen Umbaus Rechnung trägt.

7. Eine antizyklische Haushaltspolitik fördern gegen die Rezession UND gegen die Arbeitslosigkeit, auch ein Programm öffentlicher (sozial nützlicher und ökologisch nachhaltiger) Investitionen, und zwar auf nationaler wie auf europäischer Ebene; u.a. dank einem stark erhöhten europäischen Haushalt (heute: 1% des BIP; Forderung der Wirtschaftswissenschaftler des Euro-Memo 2013: 10%).

8. Den Automatismus der politischen Entscheidungen und die verfassungsmäßige Festschreibung von Haushaltspolitiken (Fiskalpakt) abschaffen.

9. Über ein Schuldenaudit die angefallenen illegitimen Schulden bestimmen und annullieren.

10. Mit Steuern auf hohen Vermögen und Finanzeinkommen einen wirklichen europäischen Haushalt finanzieren, der unter demokratischer Kontrolle auch eventuelle finanzielle Schwierigkeiten solidarisch und gemeinschaftlich meistern kann.

11. Ein solchermaßen gestalteter europäischer Haushalt muss auch würdige Arbeitsbedingungen für das Personal der Europäischen Union gewährleisten, deren Richtlinien auch endlich für das eigene Personal gelten müssen.

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