Die Idee der europäischen Entscheidungsträger, sogenannte „Hotspots“ einzurichten, könnte die angehende europäische Migrationspolitik im Keim ersticken.
Marc Keup – Der mit der Brechstange erzwungene Beschluss des europäischen Rates der Justiz- und Innenminister vom 22. September enthält einen Umverteilungsmechanismus, der vorsieht, dass eine gewisse Anzahl von Asylbewerbern aus Griechenland und Italien in andere Mitgliedsländer umgesiedelt werden soll. Vorrausgehen soll dieser Umverteilung die Einrichtung von Empfangs- und Erstaufnahmeeinrichtungen, sogenannter Hotspots.
Flüchtlinge die künftig in Griechenland oder Italien über die EU-Außengrenze kommen, sollen vor Ort an diese neuen Einrichtungen verwiesen werden, wo sie eine erste Verpflegung erhalten und außerdem registriert werden sollen. Angesichts der völlig überlasteten Auffangstrukturen in diesen Ländern ist das zunächst ein Fortschritt, da eine große Anzahl von Asylbewerbern derzeit unter freiem Himmel oder auf Bahnhöfen campiert. Problematisch wird es allerdings, wenn in diesen Lagern Kriegsflüchtlinge und sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge voneinander getrennt werden sollen, so wie es derzeit in Brüssel geplant wird.
Selbst eine vorläufige Entscheidung, wer ein Recht auf internationalen Schutz hat und wer nicht, bedarf einer aufwendigen Untersuchung. Zumindest dann, wenn eine solche Prozedur den Anforderungen des internationalen Recht genügen soll. Als Konsequenz werden die Flüchtlinge nicht nur einige wenige Tage in diesen „Erstaufnahmeeinrichtungen“ verweilen müssen, sondern über erheblich längere Zeiträume. Angesichts des stetigen Zustroms, der allenthalben durch den Einbruch des Winters kurzfristig abgeschwächt wird, werden unausweichlich riesige Zeltlager entstehen, wie wir sie derzeit aus der Türkei oder dem Libanon kennen. Damit wird eine Dynamik losgetreten, die die angehende gemeinsame Asylpolitik in Schutt und Asche legen könnte.
Denn bereits die schlichte Existenz dieser Lager wird einige Länder in Europa auf die Idee bringen, dass eine Umverteilung jenseits der bereits beschlossenen Kontingente nicht mehr notwendig ist, da die Flüchtlinge ja in diesen Lagern den nötigen Schutz genießen und außerdem großzügig versorgt werden. Sie werden sich darauf verlegen, die Flüchtlingscamps im Süden Europas finanziell zu unterstützen und deren erstklassige Infrastrukturen zu loben. Dass man die Hotspots nach kurzer Zeit mit Stacheldraht einzäunen und militärisch absichern muss, damit die Insassen sich nicht auf den Weg nach Norden machen, wird dabei zum notwendigen Übel.
Eine solche Entwicklung, die offensichtlich von zahlreichen europäischen Regierungen bewusst in Kauf genommen wird, wäre wohl das Ende einer gemeinsamen Asylpolitik mit humanem Antlitz. Anstatt die Flüchtlinge in die europäische Gesellschaft zu integrieren und ihnen ein neues Leben zu ermöglichen, würden sie gleich an der Außengrenze abgefangen und womöglich auf unbestimmte Zeit in Lager gesteckt: Ein weiterer schändlicher Baustein bei der Abschottung Europas, für dessen Zustandekommen die luxemburgische Präsidentschaft schlussendlich die Verantwortung übernehmen müsste.