Allein mit der Evakuation von einem Dutzend Personen aus Afghanistan hat die luxemburgische Regierung nicht genug getan um ihren humanitären Verpflichtungen nachzukommen. Damit ist die Katastrophe die vielen Menschen in diesem Land droht weder abgewendet noch vermindert. Nach dem gestrigen Ende der auf direkte Hilfskräfte des Westens konzentrierten Luftbrücke gerade den besonders bedrohten Frauen und politisch Engagierten über herkömmliche Migrationswege und Asylprozeduren helfen zu wollen, erscheint angesichts des in den letzten Wochen offenbarten politischen Unvermögens als wenig aussichtsreich. Vor allem auch, weil diese Menschen bei den letztlich in die aktuelle Katastrophe mündenden Verhandlungen mit den Taliban in Doha (Katar) scheinbar keine Rolle spielten.
Nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 erlebten die USA eine beispiellose Welle der globalen Solidarität. Aber was haben sie daraus gemacht? Einen weltumspannenden Feldzug gegen den „islamistischen Terrorismus“, der über Afghanistan, den Irak, den Mittleren Osten und Afrika Tod und Verderben für die Zivilbevölkerungen brachte, statt der versprochenen Demokratie, Menschenrechte und Wohlstand … oder auch nur dem Ende der Terroranschläge. Nach 20 Jahren Krieg in Afghanistan sind jeweils zehntausende tote Zivilisten, afghanische Soldaten und Taliban zu verzeichnen, sowie tausende getötete US- und NATO Truppen. Millionen Afghan*innen befinden sich auf der Flucht, und diese Zahl wird jetzt noch steigen. Die soziale und wirtschaftliche Situation der Menschen vor Ort hat sich bei einer solchen Bilanz selbstverständlich nicht verbessert.
Auf diesem Irrweg - dessen Folgen bereits vor 20 Jahren zu erkennen waren und von déi Lénk auch benannt wurden! – wurden die USA durch den „Westen“ politisch, medial und militärisch unterstützt. Auch das kleine Luxemburg stellte sich hinter das große Amerika. Seit 2003 und Charles Goerens (DP) haben allen Verteidigungsminister vor allem die Beteiligung luxemburgischen Militärs am Afghanistaneinsatz verteidigt. Goerens selbst wagte es noch am 17 August auf Radio 100,7 zu beobachten: „Et war e Versuch wert“! Aber auch der aktuelle Außenminister Jean Asselborn verteidigt weiterhin die Intervention. Dabei fanden die Kriegsminister immer die Zustimmung aller Koalitionspartner und der meisten Oppositionsparteien. Sie tragen allesamt die Schuld an diesem Debakel!
Das Streben nach Profit (Rüstungskonzerne sahen ihre Dividenden über die Kriegsjahre steil steigen – auch am Finanzplatz Luxemburg), Zugang zu den zentralasiatischen Ressourcen und Absatzmärkten, sowie die geopolitischen Rivalitäten haben lange die Berücksichtigung von gesellschaftlichen und sozialpolitischen Ansätzen bei der Lösung internationaler Konflikte verhindert. Und sie tun dies auch weiterhin. Ganz auf technologischen Krieg fixiert, haben die USA selbst eingesehen nicht genügend auf die gesellschaftlichen Gegebenheiten Afghanistans eingegangen zu sein. Mit dem Ergebnis, dass die Taliban heute die militärischen Mittel einer NATO-Armee vom Gegner „geerbt“ haben.
Dass die Herrschenden kurzfristig Lehren aus diesem Debakel ziehen werden ist unwahrscheinlich. Wie die trotz Afghanistanrückzug weiter steigenden Militärausgaben der USA und seiner NATO-Partner zeigen, werden die geopolitischen Spielereien des militärisch-industriellen Komplexes weitergehen und weltweit weiterhin Leid verursachen, zunehmend auch in den westlichen Metropolen. Neben dem kapitalgemachten Klimawandel bedrohen auch neue kriegerische Gefahren die Menschheit. Deswegen ist jetzt die Zeit für eine neue Etappe im Kampf um eine freie und friedliche Welt der sozialen Gerechtigkeit und Gleichheit, ohne die auch die ökologischen Herausforderungen nie dagewesenen Ausmaßes nicht zu bewältigen sein werden. Es muss Schluss sein mit dem „Suivismus“ gegenüber den Eliten der USA. Wir müssen zusammen mit den fortschrittlichen Kräften dort und in der ganzen Welt für gemeinsame Forderungen kämpfen:
- déi Lénk sind solidarisch mit den afghanischen Frauen und Mädchen, die weiterhin ihre Rechte auf Bildung, Arbeit, Bewegungsfreiheit und ärztliche Betreuung einfordern.
- Wir unterstützen das Recht auf freien Ausdruck von Künstler*innen, Schriftsteller*innen, Journalist*innen und Blogger*innen.
- In Erinnerung an die Denkmalstürmerei der Taliban aus der ersten Machtergreifung: die Erhaltung des historischen Erbes, der Kulturgüter und der archäologischen Aktivität muss garantiert sein.
- Regionalen Autonomiebestrebungen dürfen nicht unterdrückt werden.
- Eine internationale Außen- und Friedenspolitik muss geschaffen werden, die sich für multilaterale diplomatische Lösungen von Konflikten einsetzt und nichtmilitärische Strukturen und Organisationen auf der Basis internationalen Rechts fördert und aufbaut. Diese Politik muss auf fragwürdige militärische Einsätze verzichten, in Afghanistan und anderswo, und über Abrüstungsverträge einen weltweiten militärischen Rückbau erreichen. angefangen mit dem weltweit größten Militärbudget: dem der USA.
- Es darf keine Beteiligung der luxemburgischen Armee mehr an völkerrechtswidrigen Auslandseinsätzen geben.
- Die Investitionsströme des Finanzplatzes in Rüstungsindustrie und Waffenexporte in Krisengebiete müssen gestoppt werden.
- Luxemburg muss sich in Afghanistan und weltweit für den Ausbau der Entwicklungshilfe einsetzen, und diese vollständig von militärischen Zusammenhängen entkoppeln. Entwicklungshilfe muss auf der Basis der Menschen- und Frauenrechte gestaltet werden und ohne jede Vorbedingung erteilt werden, insbesondere wenn sich diese negativ auf die Rechte von Geflüchteten und Flüchtenden auswirken könnten.
- Die militärischen Ausgaben Luxemburgs müssen gekürzt, und die Ausgaben für Entwicklungshilfe und humanitäre Unterstützung gestärkt werden. Es ist beschämend, dass Luxemburg mehr in Krieg als in Frieden investiert!
- Die luxemburgische und europäische Asylpolitik muss geändert werden. Ein Anfang können hier, gemäß den Forderungen der luxemburgischen Rechtsanwälte in Flüchtlingsfragen und von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Asylverfahren für Afghan*innen sein, insbesondere in Bezug auf die Erteilung des Asylstatus und der damit verbundene Rechte wie dem zur Familienzusammenführung. Hilfesuchende dürfen nicht nur nicht nach Afghanistan deportiert werden, sondern müssen auch regularisiert werden um die notwendigen Papiere und Rechte für ein würdiges und selbstbestimmtes Leben zu erhalten.
(Mitgeteilt von déi Lénk)