Unsere Sprecherin Carole Thoma geht in ihrem Gastbeitrag im « Lëtzebuerger Land » vom 12. Juni 2020 auf die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie ein und schlägt konkrete Maßnahmen gegen wachsende soziale Ungleichheiten vor. Das unkoordinierte Vorgehen der Regierung, kommt dabei nicht so gut weg.
Während der Notstand in den nächsten Tagen auslaufen wird und sanitäre Maßnahmen langsam gelockert werden können, während Bevölkerung und Politik sich weniger stark auf die sanitäre Krise konzentrieren, wird immer offensichtlicher, dass wir jetzt einer sozialen und wirtschaftlichen Krise gegenüberstehen. Bereits vor Corona stiegen die sozialen Ungleichheiten in unserer Gesellschaft und die Anzahl der von Armut Betroffenen ungebremst und dieser Trend wird voraussichtlich durch die Krise noch stärker befeuert. Das gesamte Ausmaß der wirtschaftlichen Krise ist heute nur schwer einzuschätzen und wird uns wohl erst in den nächsten Monaten vollends bewusst.
Noch beunruhigender wirkt die Unentschlossenheit der Mehrheitsparteien. Statt einer Regierung, die zumindest den Ansatz einer klaren Strategie verfolgt, erleben wir in letzter Zeit einen Haufen MinisterInnen, die teils unkoordinierte Einzelmaßnahmen vorstellen: ein paar Finanzspritzen hier, ein Hotelgutschein da. Das Gesetz zu Staatsgarantien für Betriebe, die an keinerlei Bedingungen gebunden wurden, zeugte ebenso von einem nicht durchdachten Handeln seitens der Regierung.
Dabei wäre es zu kurz gegriffen, in diesen Zeiten das Land nur zu „verwalten“. Es ist nötig, Lehren aus der Corona-Krise zu ziehen und statt nur zurück zum „Business as usual“ zu wollen, eine bessere Zukunft zu gestalten. Ob man nun an eine neue Pandemie denkt oder an die Klimakrise: eine Gesellschaft ist umso resilienter je geringere soziale Ungleichheiten sie aufzeigt. Wir sollten daher die Situation nutzen, um eine nachhaltige und sozial gerechtere Gesellschaft aufzubauen.
Zum Beispiel mithilfe einer strukturellen Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit. Diese Maßnahme ist nicht nur längst überfällig, da sie die Produktivitätsgewinne der letzten Jahrzehnte umverteilen würde, sondern könnte auch mehr Menschen beschäftigen und so einem zu erwartenden Anwachsen der Arbeitslosigkeit entgegenwirken.
Für déi Lénk steht zudem fest, dass die Wirtschaft nur durch eine Stärkung der Kaufkraft angekurbelt werden kann. Gerade jetzt ist der Moment, den Mindestlohn endlich strukturell zu erhöhen, so dass die Menschen, die während der letzten Monate unsere Gesellschaft am Laufen gehalten haben, auch von ihrer systemrelevanten Arbeit leben können. In diesem Zusammenhang sei auch daran erinnert, dass neben den Einschränkungen der freiheitlichen Rechte der Menschen, während des Notstands auch Maßnahmen getroffen wurden, deren Verlängerung wichtig wäre um die sozialen Folgen der Krise abzufedern. Dazu gehört beispielsweise, dass das Kurzarbeitergeld nicht unter den Mindestlohn fallen und Betroffene nicht währenddessen entlassen werden dürfen.
Auch die angekündigte Steuerreform könnte zu einer gerechteren und nachhaltigeren Gesellschaft führen. Dazu bräuchte es allerdings politischen Mut, nicht einfach Steuergeschenke zu verteilen, sondern stattdessen Kapitalbesitz und hohe Einkommen weitaus stärker zu besteuern als bisher. Auch der ungehemmten Spekulation auf dem Wohnungsmarkt muss endlich der Riegel vorgeschoben werden.
Anstatt nur kurzsichtig auf die aktuelle Krise zu reagieren und Symptome zu behandeln, sollte die Regierung strategisch vorgehen und strukturelle Veränderungen vorantreiben, um zukünftige Krisen zu verhindern. Schafft sie dies nicht, riskiert ein panischer und blinder Versuch, die Wirtschaft anzukurbeln, die sozialen Ungleichheiten zu verstärken und die Klimaziele in weite Ferne zu rücken. Welch verpasste Chance!