Zu Gast am Land
In Luxemburg, einem der reichsten Länder der Welt, steigt das Armutsrisiko immer weiter an. Fast jeder Fünfte ist zurzeit von Armut bedroht. Jeder Zehnte befindet sich sogar in anhaltender Armut, ist also dauerhaft in finanzieller Not. Am stärksten betroffen sind Kinder und Alleinerziehende.
Das garantierte Mindesteinkommen RMG sollte eigentlich ein Existenzminimum darstellen, das den Menschen erlaubt, ein würdevolles Leben inmitten der Gesellschaft zu führen, und somit die Armut bekämpfen. Die aktuelle Gesetzgebung wird aufgrund mehrerer Schwachstellen zurzeit reformiert, das RMG durch das Revis („Revenu d’inclusion sociale“) ersetzt. Doch trotz einiger Verbesserungen wird auch durch das neue Gesetz die soziale Eingliederung Aller in die Gesellschaft nicht erreicht.
Für die Regierung ist das erste Ziel der geplanten Reform offenbar nicht die Bekämpfung der Armut, sondern die „Aktivierung“ der Betroffenen. Diese Wortwahl zeugt nicht nur von einer herablassenden Haltung diesen Menschen gegenüber, sie entspricht auch nicht der Realität. Denn der Großteil der aktuellen RMG-Bezieher ist keinesfalls inaktiv, sondern arbeitet sehr wohl.
Dem Anspruch, einen Reiz zum Arbeiten zu schaffen, wird das Gesetz zudem gar nicht gerecht. Laut Berechnungen der Salariatskammer können einige Bezieher ohne eigenes Einkommen durch die Reform eine leichte Erhöhung der Beträge erwarten. Viele arbeitende Menschen, deren geringes Gehalt durch RMG/Revis aufgestockt wird, müssen jedoch mit zum Teil hohen Einbußen rechnen. Dabei liegt der Anteil Jener, die trotz Berufstätigkeit in Armut leben („Working Poor“), jetzt bereits bei 12%.
Weiterhin ist zu bedauern, dass die Gelegenheit verpasst wurde, eine neue Regelung bezüglich der Definition von Haushalten aufzustellen. Diese hat großen Einfluss auf den Entscheid, ob und in welcher Höhe eine Person Revis beziehen kann. Aufgrund der akuten Notsituation auf dem Wohnungsmarkt entscheiden sich immer mehr, vor allem junge Menschen dafür, sich in Wohngemeinschaften zu organisieren um sich so die Wohnkosten aufteilen zu können. Mangels Gesetzgebung gelten sie dann jedoch als ein gemeinsamer Haushalt. Will ein Bewohner Revis beziehen, werden die Einkommen aller Mitbewohner in die Berechnung seines verfügbaren Budgets einbezogen, so dass der Antrag möglicherweise abgelehnt wird oder zu gering ausfällt. Der Betroffene wird somit dazu gezwungen, eine eigene Wohnung zu suchen und höhere Kosten auf sich zu nehmen, um die ihm zustehende Sozialleistung beziehen zu können. Die Katze beißt sich in den Schwanz.
Die Reform des RMG hat ihr Ziel, die soziale Eingliederung Aller und die Bekämpfung der Armut, verfehlt. Vielmehr handelt es sich um eine Bekämpfung der Armen, denen durch zusätzliche finanzielle Sanktionen, sowie lange Fristen bis zur Auszahlung des Revis, das Leben unnötig erschwert wird. Unter 25-Jährige sind weiterhin von der Sozialleistung ausgeschlossen, obwohl diese aufgrund prekärer Beschäftigungen und der schwierigen Wohnsituation oft in besonderer finanzieller Not sind. Werden einige Beträge im Vergleich zur aktuellen Gesetzgebung leicht erhöht, so liegt der Gesamtbetrag, den Betroffene erhalten, bestehend aus Revis und zusätzlichen Familienleistungen, weiterhin unterhalb des Armutsrisikos.
déi Lénk setzen sich vehement dafür ein, dass jeder ohne Armut und in Würde leben kann, indem sowohl die Revis-Beträge als auch der Mindestlohn spürbar erhöht werden.
Carole Thoma
Spriecherin déi Lénk
Tribune libre op RTL/100,7 zum selweschten Thema: