(“Zu Gast” im Lëtzebuerger Land, 11. Januar 2013)
Serge Urbany * – Parlamentarische Untersuchungskommissionen sind eher selten in Luxemburg.Sie sind jedoch Ausdruck der parlamentarischen Souveränität und des Kontrollrechts über die Regierung.Wenn dreizehn Abgeordnete, stellvertretend für das Land, drei aufeinanderfolgende Geheimdienstchefs und zwei aufeinanderfolgende Regierungschefs, darunter die aktuellen Amtsinhaber, unter Eid öffentlich verhören werden, verweisen sie damit symbolisch jede Versuchung des monarchistischen Prinzips « L’Etat c’est moi » in ihre Grenzen.Das ist der Kern der Frage.Alles andere wird sich im Rahmen der Untersuchung zeigen müssen.
Die Untersuchungen werden nicht unabhängig von der Politik sein, weder auf Seiten der parlamentarischen Mehrheit, noch der Minderheit, welche beide wiederum sehr unterschiedlich gewichtet sind. Jeder will seine Wahrheit herausfinden und verschiedene Wahrheiten werden ein ganzes Bild ergeben.
Die Parlamentarier sind keine Richter. Sie sprechen keine Strafen aus. Aber sie haben weitgehende Befugnisse – alle Befugnisse, die auch eine Strafprozedur hat -, um die Regierung dazu zu zwingen, alles auf den Tisch zu legen und für volle Klarheit zu sorgen. Wenn die Abgeordnetenkammer einstimmig die Untersuchungskommission mit dem Ziel eingesetzt hat, die Wahrheit über 50 Jahre Geheimdienst herauszufinden, dann ist der Verdacht besonders gross gewesen, dass etwas herauszufinden ist, was nichts mehr mit der normalen und vom Volk akzeptierten Legalität zu tun hat.Die Untersuchungskommission darf sich nur nicht unter Druck setzen lassen.
Wenn der politisch Verantwortliche des Geheimdienstes angefragte Dokumente seines Dienstes mit dem Vermerk an die Kommission herausrückt, dass auf der Weitergabe von geheimen Informationen über das Wirken des Geheimdienstes an « Unbefugte » bis zu fünf Jahren Gefängnis stehen, dann hat er Sinn und Zweck der Untersuchung nicht begriffen.Die “Unbefugten” sind hier das Volk, die potenziellen Kriminellen die von ihm gewählten Abgeordneten.
Die aktuellen Untersuchungen werfen noch andere Fragen auf.Wie ist es möglich, dass durch eine schnelle Eröffnung einer gerichtlichen Untersuchung gegen “Bekannte und Unbekannte” wegen der “Abhöraffäre Juncker” dieser Teil der Affäre, der den Stein erst ins Rollen gebracht hatte, von der parlamentarischen Untersuchung abgetrennt wurde?
Da geht es um die ausserordentliche Angelegenheit des Abhörens des Regierungschefs durch den Geheimdienstchef, eine Abhörung während der in lockerer Runde von einer weiteren möglichen Abhörung des Regierungschefs durch den Staatschef im Auftrag des britischen Geheimdienstes geplaudert wurde, ohne dass das seinerzeit – 2009, dem Wahljahr – zu der geringsten strafrechtlichen, geschweige den administrativen Konsequenz geführt hätte.
Gestartet wurde das gerichtliche Ablenkungsmanöver anscheinend wohlwissend, dass die Strafsache heute möglicherweise verjährt sein soll. Wann soll die Verjährung denn entschieden werden? Nach den nächsten Wahlen, wenn es keine Untersuchungskommission mehr geben wird?
Und wenn in der gerichtlichen Untersuchung die Anklagepunkte so formuliert werden, dass sie auch die Journalisten betreffen könnten, die das Gespräch veröffentlicht haben – 2012, also unverjährt -, dies nachdem der Regierungschef sich über die Verletzung seiner “Persönlichkeitsrechte” durch diese Veröffentlichung beklagt hatte, dann kann nicht mehr von juristischem und politischem Anstand die Rede sein.Über die vermutliche Rolle des Oberstaatsanwaltes als Wasserträger der Regierung in dieser, wie in der Wickringer Affäre wird noch zu reden sein.
Es geht um mehr als nur um Dysfunktionen beim Geheimdienst, es geht um Dysfunktionen der Demokratie, und da hört jeder Spass auf.
* Serge Urbany ist Abgeordneter von déi Lénk